Die Folgen verbotener Einlagengeschäfte nach §§32, 54 KWG am Beispiel der Global Financial Invest AG: Anleger erstreiten Urteile gegen Vorstand und Treuhänder (Anwalt) auf Schadensersatz
Die Fälle
Ein Beklagter war Mitglied des Vorstands der GFI. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte dieser mit Bescheid vom 22. August 2012 das unerlaubte Betreiben des Einlagengeschäftes untersagt und die Abwicklung der unerlaubt betriebenen Geschäfte angeordnet. Dieser Bescheid der BaFin betraf das sogenannte Geschäftsmodell „Lifedirekt„, bei der der Anleger mit der GFI nicht direkt einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, sondern nur einen Vertrag mit einem Treuhänder abgeschlossen hat. Das streitgegenständliche Geschäftsmodell untersagte die BaFin mit weiterem Bescheid vom 25.11.2013 und ordnete hierfür ebenfalls die Rückabwicklung der unerlaubt betriebenen Geschäfte an. Nach diesem Geschäftsmodell bot die GFI potentiellen Interessenten den Kauf ihrer Lebensversicherungen und anderer Vermögensanlagen an und ließ sich diese abtreten. Die Auszahlung dieses Kaufpreises erfolgte in mehreren Raten mit einer Sofortzahlung sowie nachfolgenden monatlichen Zahlungen wahlweise bis zum nachfolgenden 6. oder 10. Jahr nach der Vertragsannahme durch die GFI. Die beiden Verfügungen der BaFin sind bestandskräftig geworden. Die GFI wurde in der Folge insolvent. Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Frankfurt/Main vom 20. März 2015 ist über das Vermögen der GFI das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte wurde neben zwei weiteren Angeklagten mit rechtskräftigem Strafurteil des Landgerichts Frankfurt/M. vom 22.09.2016 wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen, wegen unerlaubten Betreiben von Bankgeschäften sowie wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Ein weiterer Beklagter war ein Anwalt, der als Treuhänder die Anlegergelder weiterleitete. Er war damit beauftragt, die Bausparverträge und Lebensversicherungen der Kläger zu kündigen, die Rückkaufswerte treuhänderisch entgegenzunehmen und über diese Rückkaufswerte als Vertreter der Kläger Kaufverträge mit der GFI abzuschließen.
Die Entscheidungen von Amts- (Augsburg) und Landgerichten(Zwickau, Bremen, Hildesheim)
Die Kläger haben gegen den Vorstand Schadensersatzansprüche wegen des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. §§ 1 Abs.1 S. 2 Nr. 1 Alt. 2, 32 Abs. 1 S.1, 54 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 KWG, 14 Abs.1 StGB. Nach § 823 Abs. 1, Abs. II BGB haftet der Schädiger dem Verletzten auf Schadensersatz, wenn dieser ein den Schutz eines anderen betreffendes Gesetz verletzt. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG beinhaltet das Verbot, Bankgeschäfte ohne Erlaubnis zu betreiben. Es handelt sich hierbei um ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers. Nach§ 32 Abs. 1Satz1 KWG bedarf derjenige, der im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will, der schriftlichen Erlaubnis der Aufsichtsbehörde. Die GFI verfügte unstreitig weder im Zeitpunkt der Begründung der streitgegenständlichen Verträge noch im darauf folgenden Zeitraum über eine Erlaubnis der BaFin für das Betreiben von Bankgeschäften für das streitgegenständliche „Geschäftsmodell“. Das von der GFI angebotene Anlagemodell stellt auch in der streitgegenständlichen Variante des direkten Ankaufes der Forderung ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG dar. Einlagengeschäfte im Sinne von § 1 Abs. 1, Satz 2 Nr. 1 KWG sind Bankgeschäfte, deren Gegenstand in der Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums besteht. Unter der Annahme von Geldern in diesem Sinne ist nicht nur die tatsächliche Entgegennahme von Bargeld durch den Kapitalnehmer beziehungsweise die Kontogutschrift zu verstehen, sondern auch die Umwandlung einer Geldforderung aus einem Handelsgeschäft in ein Darlehen, welches aus wirtschaftlicher Sicht der Auszahlung bzw. Überweisung des Forderungsbetrages und anschließender Wiedereinzahlung bzw. Rücküberweisung gleichwertig ist. Der Zweck dieser Rechtsübertragung ist die Vereinnahmung des Rückkaufswertes durch den Kapitalnehmer zu Investitionszwecken, wobei den Anlegern das den Rückkaufswert betreffende Auszahlungsrisiko nach den vertraglichen Vereinbarungen verbleibt. Diese Vertragsgestaltung lag dem streitgegenständlichen Anlagemodell der GFI zugrunde, was sich aus dem Kaufvertrag und den allgemeinen Geschäftsbedingungen hierzu ergibt. Der Rückkaufswert der an die GFI abgetretenen Versicherungen sollte angelegt und dann ratierlich in ungefähr doppelter Höhe zurückgezahlt werden, wobei es sich um einen unbedingten Rückzahlungsanspruch handelte. Die GFI hat mit dem Geschäftsmodell des Ankaufes von Kapitallebensversicherungen ge- werbsmäßig gehandelt, da sie nach den Feststellungen des Landgerichtes Frankfurt a.M. im Strafurteil vom 22.09.2016 in dem Zeitraum 4. Quartal 2009 bis 4. Quartal 2014 Rückkaufswerte aus Lebensversicherungen in Höhe von 10.800.969,- € vereinnahmt hatte. Der Beklagte haftet persönlich über§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 54 KWG, weil er als damaliger Vorstand der GFI auch für die mit den Klägern abgeschlossene Geschäfte verantwortlich ist. Den Klägern sind durch das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften des Beklagten Schäden entstanden. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GFI wurde mit Beschluss des Amtsgerichtes Frankfurt/Main am 20. März 2015 eröffnet.
(helfender) Irrtum ausgeschlossen
Der Beklagte kann sich nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB berufen. Ein Schadensersatzanspruch scheitert nicht am Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums i.S.v. § 17 StGB. Anders als im Strafprozess, wo der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ gilt, trug hier der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des haftungsausschließenden Rechtsirrtums, was ihm nicht gelang: Der Vorstand kann sich nicht damit entlasten, dass er zu diesem Modell den Rechtsrat eines Anwaltes eingeholt habe. Denn das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Gebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan. Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte „Gefälligkeitsgutachten“ scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus. Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich die „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen. Geht es wie hier um die Frage nach dem Bestehen einer Erlaubnispflicht, hat er sich vorzugsweise an die zuständige Erlaubnisbehörde zu wenden.
Treuhänderhaftung Der Treuhänder und Anwalt haftet Anlegern aus § 826 BGB, weil er es leichtfertig unterlassen hatte, sich der Zulässigkeit des Vertriebssystems zu vergewissern. Unter derselben Voraussetzung haftet der Rechtsanwalt gegenüber Anlegern aus der Verletzung verträglicher Aufklärungspflichten. Er war nicht lediglich „technischer Abwickler“, sondern in herausgehobener und für das Vertriebssystem unerlässlicher Funktion für die GFI tätig. Er trat hier als Treuhänder auf unter Nennung als Rechtsanwalt. Es ist davon auszugeben, dass insbesondere die Nennung des Rechtsanwaltstitels wohl zur Vertrauensschaffung bei den Klägern. Der Geschäftsbesorgungsvertrag sowie die entsprechende Korrespondenz führte er mit seiner Bezeichnung als Rechtsanwalt. Auch die GFI nutzte seinen Status als Rechtsanwalt. Der Beklagte hat es zum zumindest leichtfertig unterlassen, die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Keine Verjährung Die von den Beklagten erhobenen Einreden der Verjährung greifen nicht durch. Denn die Verjährungsfristen von 3 Jahren waren zu Zeitpunkten der Rechtshängigkeit der Klagen noch nicht abgelaufen, so dass die Schadensersatzansprüche der Kläger durch die Klageerhebungen rechtzeitig gehemmt worden ist(§§ 195, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährungsfristen von 3 Jahren beginnt mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, §199 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 BGB. Die Schadensersatzansprüche der Kläger sind entstanden mit Abschluss der streitgegenständlichen Verträge. In den vorliegenden Fällen hätten die Kläger schon vor Eintritt der Insolvenz der GFI eine Schadensersatzklage gegen diese auf Rückabwicklung des gesamten Vertrages erheben können wegen Schutzgesetzverletzung aus § 823 Abs. II BGB i.V.m. § 32 KWG und § 14 StGB. Denn die Schäden der Kläger waren allein durch die Verletzung des Schutzgesetzes samt Vermögensverschiebungen entstanden. Allein eine etwaige Kenntnis der klagenden Anleger von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GFI im Jahre 2016, genügte nicht für eine Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, da sich aus der Tatsache der Bekanntmachung der Insolvenz der GFI durch das Insolvenzgericht nicht auch zugleich Kenntnis für die Ursache der Insolvenz, nämlich der fehlenden Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften ergab. Eine Tatsachenkenntnis von der persönlichen Haftung des Beklagten wegen Fehlens einer erforderlichen Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften in der Person der Kläger ohne vorherige anwaltliche Beratung ist fernliegend.
Aus der Tatsache der Veröffentlichungen der BaFin in den Jahren 2011 bis 2013 über das Untersagen des Geschäftsbetriebes der GFI mit der Rückabwicklungsanordnung kann nicht auf eine grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger geschlossen werden. Denn Verbraucher haben regelmäßig keine Veranlassung, die Veröffentlichungen der Bafin zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn diese im Internet veröffentlicht werden. Dass die sog. Massenmedien, wie ARD oder ZDF hierüber berichtet hätten, ist dem Gericht nicht bekannt und auch nicht dargelegt worden.
Zwar wurden Berufungen eingelegt, jedoch ist nicht mit Aufhebungen der Urteile zu rechnen, weil diese auf gängiger BGH – Rechtsprechung basieren.